Steyler Missionar Uwe Heisterhoff ist Direktor der Domitilla-Katakomben
Seine Herkunft kann Bruder Uwe Heisterhoff nicht verbergen. Der Steyler Missionar ist Grafenwald bei Bottrop aufgewachsen, mitten im Ruhrgebiet, an der Grenze zwischen dem Bistum Münster und dem Ruhrbistum. Obwohl er seit vielen Jahren nicht mehr dort lebt, haben sich sein "dat" und "wat" ebenso erhalten wie die herzlich-raue Offenheit des Ruhrpottlers. "Ich komm‘ ausse Arbeitswelt", sagt er lachend – Heisterhoff ist gelernter Maschinenschlosser und Schweißer. Erst mit 25 Jahren hat er sich dazu entschlossen, Missionar zu werden. "Mein Traum war es, nach China zu gehen", sagt er.
Mittlerweile ist er 55 Jahre alt, sitzt in einem Büro an der Stadtgrenze von Rom, schlürft einen Kaffee aus einem Plastikbecher, bevor er sich trotz sommerlicher Temperaturen eine dicke Jacke anzieht. Es geht in die Unterwelt der Stadt. Dorthin, wo die ersten Christen vor 1900 Jahren ihre Toten bestatteten. Wo Besuchern heute beim ersten Betreten ein Schauer über den Rücken läuft. Wo man ganz nah dran ist an den ersten Märtyrern, die ihr Leben für den Glauben an den wenige Jahre zuvor gekreuzigten Jesus von Nazareth gaben. Es geht hinab in die Katakomben der Domitilla.
Heisterhoff kennt sich in den verwinkelten, dunklen Gängen aus, geht mit sicherem Schritt voran. Seit sechs Jahren ist er der Direktor des unterirdischen Gräberfeldes aus der Antike. "Kopf einziehen!", ruft er den Besucher zu. Dann beugt er sich selbst vor, um nicht anzustoßen. "Mein Wunsch war es immer, in die Mission zu gehen", sagt er, nachdem er die enge Stelle passiert hat und muss grinsen. Er deutet auf die dunklen Gänge mit den Gräbernischen, durch die gerade eine bunt gekleidete Touristengruppe geführt wird. "Auf den ersten Blick hat das hier nicht viel mit Mission zu tun, oder?"
Im Zivildienst merkte der Maschinenschlosser, dass er eine Gabe dafür hat, mit Menschen zu arbeiten. Auf einer Krankenstation begleitete er Sterbende auf ihrem letzten Weg. Drei Jahre als Krankenpfleger schlossen sich an. Damals entdeckte er sein Interesse für das Klosterleben, besuchte Ordensgemeinschaften, die Vorträge oder Einkehrwochen anboten. Im niederländischen Steyl fiel schließlich die Entscheidung, dem Orden der Gesellschaft des Göttlichen Wortes beizutreten – so heißen die Steyler offiziell.
Es folgten Jahre des Lernens, der Selbstfindung. "Das war manchmal ganz schön hart", erinnert sich Heisterhoff. Es ist ein Moment, in dem er nachdenklich wird, kurz innehält. "Gott sei Dank bin ich dann nach Bolivien gekommen", erzählt er schließlich weiter. Im Hochland von El Alto bei La Paz lernte er eine andere Welt kennen. "Das Leben in Bolivien ist nicht ganz einfach, aber ich habe immer alles geschafft", blickt er zurück. 15 Jahre lang wirkte er dort als Missionar, half in der Krankenpflege und lud die Menschen zur Bibelarbeit ein. Dann kam vom damaligen "General" – gemeint ist der Generalsuperior, also der Mann an der Spitze der Steyler Missionare – die Bitte, als Direktor der Katakomben nach Rom zu gehen. "Vorher lebte ich mehr als 4000 Meter hoch, jetzt bin ich im Untergrund", sagt er und muss wieder laut lachen.
Dass die Katakomben etwas mit Mission zu tun haben können, mit diesem Gedanken musste sich Heisterhoff erst anfreunden. So wie sein Orden: Die Steyler Missionare, deren Gründer Arnold Janssen aus Goch am Niederrhein stammte, kümmern sich um die heutige Gedenkstätte und Touristenattraktion erst seit dem Jahre 2009. Vorher wurde sie von den Barmherzigen Brüdern aus Trier betreut, doch denen fehlte es schließlich an Nachwuchs. Barmherzige Brüder und Steyler kannten sich, es wurden Gespräche über die Übernahme der Katakomben geführt. In Abstimmung mit dem Vatikan wurde der Neuanfang besiegelt.
Die Missionsarbeit müsse im Vordergrund stehen, hatte Heisterhoff im Büro gesagt. Bei seiner Führung durch die Katakomben gibt er zu: "Leicht ist das nicht immer. Das ist hier eine Touristenattraktion". Und doch, selbst unter der Erde, bei den Gräbern der Märtyrer, wird der missionarische Anspruch erfüllt. Denn auch, wenn manche Besucher vom Schauer des Morbiden und der Faszination des Todes zu den Katakomben geleitet werden mögen: Hier unten erfahren sie, dass es nicht das Ende ist, das im Zentrum steht, sondern die Auferstehung. Als er das erzählt, blitzen die Augen von Heisterhoff hinter seiner Brille. So oft schon hat er es erzählt, und doch packt ihn diese Begeisterung immer wieder.
Sicher biegt er durch die engen Gänge mit den dunklen, leeren Löchern, in denen einst die Toten lagen, hin zu einem größeren Grab mit einem bunten Fresko. Wer sich davor in den Staub kniet, sieht an der Decke über dem Grab ein Bild von Christus: "Es dreht sich alles um die Auferstehung", betont er, "und um Jesus als guten Hirten, als Lehrmeister." Gerade von Gruppen, die keinen christlichen Hintergrund haben, bekomme er viel Echo. "Man muss in ihre Gesichter gucken", sagt er. Die Idee, dass ausgerechnet zwischen Wänden, die voller Gräber sind, die Auferstehung gefeiert wird, "das spendet Trost", wie Heisterhoff sagt. Und: Die Einnahmen aus der Katakombe fließen in den Orden. Der unterstützt damit seine Studenten, die zu neuen Missionaren ausgebildet werden. Auch so wird Missionsarbeit aus Rom geleistet.
Durch die beeindruckende unterirdische Basilika – allein in ihr könnte der Katakomben-Direktor stundenlange Führungen anbieten – geht es wieder zurück ans Licht, an die Oberfläche, in die Welt der Lebenden. "Klar hatte ich Angst, ob das alles weiter läuft. Weil mein Vorgänger erkrankt war, ist das alles sehr schnell gegangen." Im Büro ist Heisterhoff weniger der begeisterte Führer, dafür umso mehr der Direktor, der während des Gesprächs noch schnell ein paar administrative Dinge klärt. Er rührt den mittlerweile erkalteten Kaffee in dem Plastikbecher um, den er schon die ganze Zeit festhält, dann leert er ihn mit einem langen Schluck und zuckt mit den Schultern: "Italienisch musste ich auf die Schnelle lernen, richtig gut kann ich es nicht. Aber zur Verständigung reicht es."
Dass der Übergang vor sechs Jahren funktionierte, das habe er seinem Team zu verdanken. "Manfred Wendel ist seit mehr als 20 Jahren dabei. Ohne ihn hätte ich das gar nicht gepackt", gibt Heisterhoff unumwunden zu. Und auch die Hilfe seines Mitbruders Reinhard Niesel, inzwischen 77 Jahre alt, nimmt er noch gerne an. Doch nach sechs Jahren in Rom zieht es ihn wieder in die Welt hinaus. Aktuell wird im Orden ein Nachfolger für die Leitung der Domitilla-Katakombe gesucht. Wohin Uwe Heisterhoff dann geschickt wird? Er weiß es nicht. Nur, dass er sich der neuen Aufgabe stellen wird. Und er seinen Traum leben kann, als Missionar in der Welt zu wirken.