Seit 25 Jahren lebt Missionar Michael Schmitz aus Kevelaer in Ghana
Die Fotos in der Festschrift, in der Michael Schmitz an einem schweren Holztisch im niederrheinischen Kevelaer blättert, wirken wie aus einer anderen, einer fremden Welt. Sie zeigen den Bau einer Straße mitten durch den Busch. Dunkelhäutige Kinder, die mit ihm Fußball spielen.
Sonne, Palmen, eine Wasserstelle, von der die Menschen große Bottiche auf dem Kopf forttragen. Heute ist er 59 Jahre alt – viele der Fotos zeigen ihn als jüngeren Mann. Er kann zu jedem Bild eine Geschichte erzählen. Sein Blick fällt durch die Brille auf die Terrasse und in den Garten. Am Niederrhein beginnt langsam der Herbst, er trägt schon einen dicken Pullover.
Für ihn beginnt die fremde Welt hinter der Terrassentür, die Fotos in der Festschrift zeigen seine Heimat. In diesen Tagen ist es 25 Jahre her, dass Schmitz zum ersten Mal einen Fuß auf afrikanischen Boden setzte, als Bruder Michael – er ist Missionar der Salesianer Don Boscos. Der Herbst 1992 gilt offiziell als Beginn des Wirkens der Salesianer in Ghana, Michael und seine Mitbrüder aus Indien, Venezuela und Kroatien waren die Pioniere. Von diesen 25 Jahren erzählt die Festschrift, in der der Missionar immer wieder blättert und über die Zeit in Ghana redet.
"Obolo" nennen sie ihn dort, "starker, kräftiger Mann". Bruder Michael lacht, so einen Namen muss man sich erstmal verdienen. Stark musste er in den vergangenen Jahren oft sein. "Die Kinder haben in Ghana keine Lobby", sagt er nachdenklich. Und gerade sie sind es, für die sich die Salesianer ganz im Geiste Don Boscos einsetzen. Nicht nur in Ghana. Vor seinem Einsatz als Missionar hat er schon in Deutschland für den Orden gearbeitet, "immer am Rand der Gesellschaft, da geht es richtig zur Sache, wir sind in den sozialen Brennpunkten", sagt er. Aufgewachsen in Kevelaer, blieb Schmitz dem Niederrhein während seiner Lehr- und Gesellenjahre treu, wurde Gartenbauer.
Aber dann war da noch der kirchliche Hintergrund, das Engagement bei der Kolpingfamilie, bei den Messdienern und die Fahrten nach Ameland. Irgendwann reifte in Michael Schmitz die Erkenntnis, dass er im sozialen Bereich arbeiten will. Er kehrte dem Gartenbau den Rücken und schloss sich schließlich den Salesianern an. "Schon als Novize habe ich gesagt, dass ich in die Mission will", erinnert er sich heute, "damals wurde ich oft belächelt. Es hat ein paar Jahre gedauert, aber dann bekam ich den Auftrag, nach Ghana zu gehen."
Im dicken Wintermantel sei er damals in Afrika gelandet. Er spürte die warme Luft, als er aus dem Flugzeug stieg, einen anderen Kontinent betrat. "Das habe ich einfach auf mich zukommen lassen", erzählt er. In den ersten Jahren sei längst nicht alles glatt gelaufen in dem fernen Land. "Es gab Zeiten, da war ich enttäuscht und müde, da musste ich meine Ruhe haben", sagt der Missionar. Mit der Zeit wurde es immer einfacher, der niederrheinische Bruder Michael wurde zu "Obolo", der in Afrika zuhause ist.
Er schätzt die Lebensart der Afrikaner, ihr besonderes Gespür dafür, wie es anderen Menschen geht, die unbändige Lebensfreude der Kinder, die Freundlichkeit und auch die Zeit, die man füreinander aufbringt. "Diese Sensibilität für einen Menschen zu haben, das habe ich in Afrika gelernt", gibt der 59-Jährige zu. Die Stelle in Ghana sei "phantastisch", gerät er kurz ins Schwärmen, um dann ernst fortzusetzen: "Die Bevölkerung ist so freundlich, und das, obwohl viele ums Überleben kämpfen. Trotzdem kommen sie in die Kirche. Wenn man die Menschen dort sieht und ihre Lieder hört, das ist Gottesdienst."
An zahllosen Projekten hat Bruder Michael in den vergangenen 25 Jahren gemeinsam mit der Bevölkerung gearbeitet. Es wurden Brunnen gebohrt, Häuser gebaut für Kinder, die aus der Sklavenarbeit befreit wurden, ein Ausbildungszentrum errichtet. "300 Schülerinnen und Schüler besuchen das ,Technical Institute‘, Computer und Hauswirtschaft stehen ebenso im Stundenplan wie Angebote für angehende Maurer oder Schreiner", sagt der Salesianer. "Es wird viel gebaut in Ghana."
Eine exzellente Ausbildung, das ist für die Salesianer der Grundstein, den sie bei den Jugendlichen legen wollen. Und das nicht nur mit Blick auf den Beruf, wie Bruder Michael betont: "Auch im religiösen, im sozialen und im familiären Bereich bilden wir die Jugendlichen aus." Er selbst ist immer mittendrin: "Krempeln wir die Ärmel hoch und stellen wir uns mit der Jugend an die Maschinen – das hat schon Don Bosco gesagt und das gilt auch heute noch." Dazu gehört, neben der Ausbildung auch viel Zeit mit gemeinsamen Gruppenspielen zu verbringen. Bruder Michael lacht. "Früher, auf Ameland, habe ich viele Ideen gesammelt, die konnte ich direkt in Ghana ausprobieren. In Afrika habe ich jeden Tag Ameland."
Vor dem Fenster am Holztisch prasseln erste Regentropfen auf die Terrasse. "Es wird Zeit, dass ich wieder nach Afrika komme, hier ist es zu kalt", sagt Bruder Michael.